Zwölf Jahre war die heute 93-jährige Eva Szepesi (geborene Eva Diamant) alt, als sie aus dem Konzentrationslager Auschwitz befreit wurde. Außer ihrem Leben hatte sie 1945 nichts mehr. Ihr geliebter blauer Mantel, ihre langen Zöpfe, ihre Heimat in Budapest, ihre Familie, selbst ihr Name wurde ihr genommen. Stattdessen trug sie die Nummer A26877 als Tattoo auf dem Unterarm.
Darf man jungen Sechstklässlerinnen und Sechstklässlern an der Mittelschule die Geschichte ihrer Vertreibung und ihrer Erlebnisse überhaupt schon zumuten? Die Antwort ist: Ja, man muss sogar! Denn „meine Bitte an euch: Vergesst meine Geschichte nicht, denn jetzt seid ihr Zeugen einer Zeitzeugin.” Die letzten Worte aus dem Buch „Ich war Eva Diamant“ mahnen: Vergesst niemals, wozu Menschen fähig sind. Vergesst nicht, jederzeit und bedingungslos für Menschlichkeit einzutreten. Vergesst es besonders dann nicht, wenn die Zeitzeugen irgendwann nicht mehr selbst erinnern können.
Die Kinderbuchautorin und Illustratorin Stephanie Lunkewitz bereitete gemeinsam mit Eva Szepesi die Geschichte in jahrelanger Arbeit als Kinderbuch auf. Eva selbst war es wichtig, ihre Geschichte ausgerechnet in Form eines Kinderbuches zu erzählen, denn ihr wurde ihre eigene Kindheit damals genommen.
Stephanie Lunkewitz, aus Los Angeles angereist, las als erste Autorin in der neuen Schülerbücherei der Mittelschule Taufkirchen vor den 6. Klassen. Fast wäre es dazu nicht gekommen: Die großen Brände in Kalifornien zerstörten auch ihr Haus, doch die Mappe mit den Bildern konnte im letzten Moment aus den Flammen gerettet werden.
Frau Lunkewitz fesselte in ihrer ruhigen Art. Mucksmäuschenstill verfolgten die Kids ihre Ausführungen und selbst der Pausengong ging im gebannten Zuhören unbeachtet unter. Ja, die Schülerinnen und Schüler kämpften mit dem harten Stoff und auch die Lehrkräfte sowie der Bürgermeister Stefan Haberl, der einer der Lesungen beiwohnte, waren tief bewegt. Es wundert nicht, dass diese Emotionen auch in den nächsten Tagen den Unterricht mitbestimmten. Dort musste Platz sein, die ergreifende und erschütternde Geschichte von Eva Diamant zu verarbeiten. Viele Schülerinnen und Schüler verfassten mitfühlende Briefe an Eva Szepesi und deutlich spürte man bei der Lesung und im Nachklang: Ja, Evas Geschichte wollen wir weitererzählen und ihr Buch lesen – gegen das Vergessen.

Autorin Stephanie Lunkewitz, Ade Geier, Robert Ackermann (Organisator), Michael Koch (Lesebeauftragter), Martin Wenzel (Klassenleitung) mit der Klasse 6cG
(Martin Wenzel)
